On the road again! (Südinsel – Januar 2017)

Was es bedeutet ein richtiger Radreisender zu sein, lernte ich in den folgenden Tagen durch den Engländer Matt kennen. Gemeinsam mit ihm durchquerte ich einen Großteil der Südinsel, befuhr Radtrails, welche ich mir alleine nie zugetraut hätte und stieß mehr als nur einmal an meine körperliche Grenze.

Doch beginnen wir am Anfang.

Es war erschreckend wie bequem ich nach 5 Wochen Aufenthalt in Wellington geworden war. Ich überlegte mir tatsächlich meine Abreise noch einmal um einige Tage zu verschieben, nur um nicht auf mein Bett und die warme Dusche verzichten zu müssen. Auch bedeutete die Abreise für mich wieder einmal alles Bekannte zurückzulassen und vollkommen alleine dazu stehen.

Meine Stimmung besserte sich auch nicht, als ich erstmalig wenige Stunden vor meiner Abreise mit dem Packen meiner Radtaschen begann und realisierte, dass mein Fahrrad am Ende vollkommen überladen war!

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Im Morgengrauen verabschiedete ich mich schließlich von meiner Flat und machte mich Übervorsichtig auf dem Weg zur Fähre, mit der ich auf die Südinsel übersetzten würde.

Glücklicherweise befand sich um 4 Uhr morgens kaum ein Auto auf den Straßen Wellingtons, das sich über das Fehlen meiner Radbeleuchtung aufregen konnte. Ich hatte einfach keinen Platz mehr für meine Lampe gefunden.

Pünktlich um 5 Uhr machte ich mich für das Boarding der Fähre bereit. Nur hatte das Terminal noch geschlossen. Als ich eine halbe Stunde später immer noch alleine vor verschlossener Tür stand kam mir ein Mitarbeiter zu Hilfe. Nach einigem herum telefonieren hatte er die Lösung meines Problems gefunden: Am und Pm. Ich hatte mich tatsächlich um 12 Stunden vertan und meine Fähre eigentlich um 17 Uhr (5pm) gebucht.

Eine Umbuchung auf die kommende 8 Uhr Fähre war zum Glück noch möglich, was mir viele Stunden des Wartens ersparte.

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Kurz vor der Überfahrt lernte ich noch einen kanadischen und einen englischen Radreisenden kennen.

Während ich mit dem Kanadier nur kurz Kontakt hatte, verbrachte ich die Zeit der Überfahrt damit mit dem Engländer Dean zusammen Touren auf der Südinsel zu besprechen. Er hatte – im Gegensatz zu mir – seine Route komplett geplant und schien bestens vorbereitet.

Worauf aber auch er nicht vorbereitet war, war der hohe Wellengang. Während um mich herum die ersten Leute in Richtung der Toiletten davon rannten, hatte ich meinen Magen noch eine Zeit lang im Griff, aber schließlich wurde auch mir sehr mulmig zumute.

Nachdem der Kapitän seinen Kurs etwas geändert hatte und die Wellen nicht mehr frontal gegen die Fähre schlugen, konnten wir die restliche Überfahrt genießen.

In Picton angekommen schloss ich mich Dean an um ihn für ein bis zwei Tage zu begleiten, dann würden sich unsere Wege trennen. Während er verschiedene Radtrails in der Mitte der Südinsel durchfahren wollte, war mein grober Plan die Westküste zu bereisen.

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Bei schönstem Sonnenschein und tropischen Temperaturen begann nun also der zweite Teil meiner Neuseelandreise und es freute mich riesig, dass ich bereits zu Beginn einen Begleiter gefunden hatte.

Da wir beide auf Camping vorbereitet waren, beschlossen wir möglichst viele Kilometer an diesem wundervollen Tag zurück zulegen und anschließend wild zu campen.

So landeten wir nach 70 Kilometern in Wairau Valley, einem winzigen Ort, durch den sich ein kleiner Fluss schlängelte. Dies schien für uns ein idealer Platz zum um unsere Zelte aufzuschlagen, auch da es gleich in der Nähe eine öffentliche Toilette gab.

Da ich schon etwas voraus gefahren war nutzte ich die Zeit bis zu Deans eintreffen um mich bei einer ortskundigen Person über eventuelle Einkaufsmöglichkeiten zu erkunden.

Eine Frau erklärte mir dann, dass es nur einen Pub gäbe, bei dem wir aber auch kostenlos unsere Zelte aufschlagen könnten.

Das ließen wir und natürlich nicht zweimal sagen und so ankerten wir 10 Minuten später im Dorfpub, wo bereits ein weiterer Radfahrer sein Zelt aufgeschlagen hatte: Matt.

Auch er kam aus England und war bereits sei zwei Tagen auf der Südinsel unterwegs.

Er wirkte auf mich sofort sehr erfahren, jeder Handgriff saß, alles hatte seinen festgelegten Platz an seinem Rad.

Umso lustiger wurde es dann, als wir auf unser Gepäck zu sprechen kamen und ich meine Lebensmittel zum Vorschein brachte.  Ich hatte idiotischerweise einen kompletten Großeinkauf, inklusive Gewürze und weitere Überbleibsel aus meiner WG in Wellington in meinen Packtaschen. Matt konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen (er selbst hatte 2x instand Reis und Thunfisch dabei).

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Am Abend statteten wir dem Pub noch einen kleinen Besuch ab und durften sogar die Dusche benutzen.

Wir beschlossen am nächsten Morgen gemeinsam weiter zu fahren. Leider war der Gegenwind an diesem Tag so heftig, dass wir erst Dean verloren und schließlich nach nur 40km unsere Zelte aufschlugen, da wir völlig erschöpft waren.

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endlich einen Platz zum Rasten gefunden

Nachdem Matt und ich am nächsten Tag noch ein wenig auf Dean gewartet hatten setzten wir unsere Reise fort. Interessanterweise lag unsere Durchschnittsgeschwindigkeit recht nahe beisammen, so dass wir uns immer abwechselnd Windschatten geben konnten, ohne zu ermüden.

An diesem Punkt beschloss ich Matt noch ein wenig zu begleiten und auf die Westküste – auch dank der unglaublich schlechten Wetters – zu verzichten.

Unsere erste große Tour führte uns über den sogenannten Rainbow-Trail von St. Anrnaud über eine 112 Kilometer lange Schotterstraße nach Hanmer Springs. Der Weg führte uns durch großartige Landschaften und wir sahen auf der gesamten Strecke nur 3 Häuser. Leider waren die Bodenwellen teilweise so ausgefahren, dass wir nur im Schritttempo dahin rollen konnten um keinen Speichenbruch zu riskieren. Als wir am Abend in einer kleinen Hütte Zuflucht fanden, trafen wir noch auf zwei Radreisende aus Frankreich, welche bereits seit über zwei Jahren mit ihren Rädern die Welt bereisten.

Es war ein unbeschreibliches Gefühl nach zwei Tagen Geröll/Schotterstraße endlich wieder auf Asphalt dahin zu rollen.

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Nachdem wir in Hanmer Springs unsere Vorräte aufgefrischt hatten (ich kaufte nur Bananen) und die Wettervorhersage gecheckt hatten, entschieden wir uns gegen die Westküste und machten uns auf den Weg nach Christchurch.

Den Abend verbrachten wir bei einer WarmShower Familie, da ich nach 6 Tagen endlich einmal wieder meine Radkleidung waschen wollte und auch gegen eine warme Dusche nichts einzuwenden hatte.

Matt fand sichtlich gefallen an WarmShower und wir hatten einen tollen Abend mit unserer Gastfamilie.

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Gegen Mittag des nächsten Tages erreichten wir Christchurch und ich kaufte mir als Erstes einen Daunenschlafsack, da mein deutscher Sommerschlafsack mich einfach nicht warmhalten konnte. Teilweise fielen die Temperaturen nachts bis 0 °C, darauf hatte ich mich nicht vorbereitet.

Den Nachmittag verbrachten wir damit wieder aus Christchurch heraus zu finden, wobei ich die Ausmaße des heftigen Erdbebens, welches 2011 viele Häuser der Stadt zerstört hatte, zu Gesicht bekam.

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Als wir aus der Stadt heraus gefunden hatten folgten wir einem kleinen Wanderweg, an dessen Ende wir unsere Zelte aufschlagen wollten. Leider gab es nur umzäunte Weiden und auch der Wind nahm stark zu. Als die Sonne langsam unterging konnte ich Matt überreden umzudrehen und wir radelten weitere 20 Kilometer zurück, bis wir unsere Zelte im Hof einer verlassenen Schule aufschlugen.

Mittlerweile hatte ich mich sogar richtig an das Radleben gewöhnt und packte morgens meine Taschen fast so schnell wie Matt. Auch wurden meine Lebensmittel langsam weniger und ich konnte Kochutensilien und Lebensmittel in eine Tasche packen und gewann dadurch zusätzlich an Platz. Trotzdem war ich immer wieder über den Minimalismus meines Kollegen überrascht. Es gab keine Situation in der letzten Woche, der er nicht gewachsten war (sogar einen Speichenbruch hatte er repariert) und trotzdem fand all sein Gepäck in vier winzigen Radtaschen platz.

Ein großer Vorteil des zu-zweit-Radelns zeigte sich auch immer beim Einkaufen und ja, wir mussten häufig einkaufen. War es für mich früher immer eine heikle Angelegenheit gewesen mein Rad inklusive Gepäck vor dem Laden stehen zu lassen, so konnte nun immer einer von uns aufpassen, während der andere in Ruhe Lebensmittel besorgte.

Zu Beginn unserer zweiten Woche hatten wir bereits über 500 Kilometer zurück gelegt und hatten ein großes Ziel vor Augen, den See Tekapo.

Leider warteten auf uns noch drei Tage Bundesstraße mit starkem Verkehr, bevor wir bei traumhaftem Wetter und 25 °C den türkis-blauen Bergsee erreichten. Ein Picknick am Seeufer war natürlich Pflicht. Obwohl es uns sehr schwer viel nach einer Stunde wieder weiter zu fahren, wollte Matt unbedingt noch ein paar Kilometer zurück legen. Der Grund hierfür war Mount Cook!

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(k)ein Wölkchen am Himmel

Über eine für den PKW Verkehr gesperrte Kanalstraße, die den See Tekapo mit dem See Pukaki verbindet gelangten wir nach 40km an das Ufer von See Pukaki und hatten einen atemberaubenden Blick über den türkisen See, an dessen Ende Mount Cook mit seinem schneebedeckten Gipfel in die Wolken ragte.

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Alleine für diesen Ausblick hatte sich meine Reise nach Neuseeland bereits gelohnt!

Wir verbrachten die beiden folgenden Nächte am See, wobei wir am nächsten Tag nur keinen Kurztrip nach Twizel machten, um unsere Handys aufzuladen.

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Camping mit Blick auf Mount Cook

In der Nacht vor unserer Abfahrt von See Pukaki wurde ich durch eine besondere Begebenheit geweckt. Ich hatte am Abend dank der milden Temperaturen meine Zelttür offen gelassen und später vergessen sie vor dem Einschlafen zu schließen. Gegen 3 Uhr morgens war es doch tatsächlich zwei Mäusen gelungen in das Innere meines Zeltes vorzudringen. Wach wurde ich dann aber erst als diese beiden dann auch noch über mein Gesicht liefen und mir einen richtigen Schrecken einjagten.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich die beiden dazu bewegen konnte mein Zelt zu verlassen und wieder ruhig schlafen konnte.

Am kommenden Morgen folgten wir der „Old military road“ wieder zurück zu See Tekapo, wobei wir dem schlimmsten Gegenwind ausgesetzt waren, den ich je erlebt hatte. Teilweise lohnte es sich für mich gar nicht wieder auf das Rad zu steigen, da mich der Wind sofort in den Straßengraben blies. Noch dazu war der Weg unglaublich hügelig und nicht asphaltiert.

Belohnt wurde ich dann aber doch, als ich die letzten Kilometer mit Rückenwind nach Tekapo hinein raste, wo auch schon Dean auf uns wartete!

Er war uns seit dem Rainbow-Trail gefolgt und hatte uns nun eingeholt.

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Leider trennten sich unsere Wege hier wieder, da er noch Bekannte in Twizel besuchen wollte und Matt und ich eine weitere Offroadtour nach Hakataramea geplant hatten. Aber Dean wollte uns nach seinem Aufenthalt in Twizel wieder folgen.

Da wir vor unserer Tour nach Hakataramea unbedingt noch unsere Wasservorräte in Tekapo auffüllen mussten, beschlossen wir die Nacht nahe der Stadt zu verbringen, was leichter gesagt war als getan. Bis auf einen teuren Campingplatz war es überall verboten zu campen. So blieb uns nichts anderes übrig als die Nacht ab zuwarten und dann unsere Zelte möglichst gut versteckt am Seeufer aufzubauen. Wir wurden nicht entdeckt 🙂

Die Fahrt nach Hakataramea, war dank starkem Rückenwind und relativ guter Geröllstraße sehr gut zu fahren.

Leider machte der Weg nach 60 Kilometern einen starken Knick und die letzten 40 Kilometer wurden zu einem regelrechten Albtraum. Obwohl die Straße nun asphaltiert war kamen wir nicht schneller als mit 12km/h voran, so stark blies uns der Wind ins Gesicht. Jeder einzelne Kilometer war eine Qual und der Weg wollte nicht enden.

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Nach Hakataramea mussten wir noch weitere vier endlose Kilometer nach Kurow fahren, da es sonst keinen Zeltplatz gab.

Leider waren Matt die Preise für den Campingplatz zu hoch, weshalb er wieder wild campen wollte. Auch gelang es mir nicht mit ihm einen Treffpunkt für die morgige Tour ausmachen, er wollte einfach los fahren, wenn er Lust hatte. Etwas verwundert trennte ich mich von ihm und verbrachte die Nacht alleine auf dem Zeltplatz. Am Abend kündigte Dean noch an, er würde am nächsten Morgen gegen Mittag nach Kurow kommen um mit Matt und mir gemeinsam weiter zu fahren.

Nach all dem wildcampen tat mir der Zeltplatz, die warme Dusche und die beheizte Küche richtig gut und ich lernte an diesem Abend noch drei Schweden kennen, die eine Dokumentation über das Fischen in Neuseeland drehten.

Als ich am nächsten Morgen meine obligatorischen Haferflocken mit Milchpulver zubereitete klopfte es auf einmal an der Tür und Matt stand in der Küche!

Völlig überrascht über sein Auftauchen überlegte ich mir schnell meine Sachen zu packen und mit ihm weiter zu fahren. Doch dann viel mir Dean ein und ich berichtete Matt von seiner Ankunft in ein paar Stunden. Leider wollte er nicht mehr bis zur Deans Ankunft warten, da die Wettervorhersage schlechtes Wetter vorausgesagt hatte.

Matt meinte, er würde noch 30 Minuten an der Touristeninformation auf mich warten und dann alleine weiter fahren.

Ich erinnere mich nicht jemals in so einem Dilemma gewesen zu sein. Einerseits wäre es unfair gegenüber Dean nicht auf ihn zu warten, andererseits waren Matt und ich schon so lange zusammen unterwegs und gut aufeinander abgestimmt.

2 Gedanken zu “On the road again! (Südinsel – Januar 2017)

  1. Iris schreibt:

    Eine tolle und spannende Geschichte! Ich finde es immer wieder beeindruckend, was für interessante Menschen du auf deiner Reise kennenlernst.Und diese Landschaft ist auch traumhaft! Weiterhin gute Fahrt!

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  2. Jörg Milz schreibt:

    Hi Florian,
    I got your picture postcard today – thank you very much!!!
    It was very much of a surprise and gave me a lift on that dreary, cold, grey schoolday.
    Skipping through your website I must admit that I really envy you for doing this trip. Enjoy every second of it, even if some of them are far from pleasure and delight. Everything will be a precious memory in future.

    When do you come back or will you stay there? I would understand.
    So when or if you come back, it would be nice to see you again and maybe be can sink a beer together – or two.
    In the meantime you can already practise doing so with nice girl or good mate.

    Have fun and keep going or better cycling.

    Take care

    Jörg Milz

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